Joseph Smith/Polygamie

Hauptseite

Kritik

Kritiker greifen Joseph Smith an, weil er die Polygamie einführte und praktizierte. Diese Angriffe beinhalten üblicherweise:

  1. Polygamie ist unchristlich oder unbiblisch
  2. Joseph hat die Wahrheit bezüglich der Ausübung der Polygamie verschwiegen
  3. Polygamie war gegen das Gesetz und daher nicht richtig
  4. Polygamie entsprang den fleischlichen Gelüsten von Joseph Smith

Erwiderung

Die Vielehe ist ein sehr komplexes Thema und kann hier nicht erschöpfend behandelt werden. Besonders aus den letzten Jahren gibt es eine Menge Veröffentlichungen, die sich mit dem Thema beschäftigen, die meisten bisher leider nur in Englisch.

Unchristlich?

Die Kritik, Polygamie sei unchristlich entspricht dem westlichen Empfinden, besonders stark dem in Neuengland (der Heimat der frühen Führer der HLT Kirche) traditionellen Puritanismus. Es gibt jedoch eine Fülle von unwiderlegbaren Beweisen, dass polygame Beziehungen unter verschiedenen Umständen von biblischen Propheten geduldet wurden, wie unangenehm diese Tastsache heutigen Christen auch sein mag. Elder Orson Pratt wurde in einem dreitägigen Streitgespräch über diesen Punkt mit Reverend John P. Newman, Kaplan des US Senats im Jahr 1870 weithin als Sieger betrachtet.[1]

Auch wenn es keine solchen Beispielsfälle in den Schriften gegeben würde, hätte die HLT Theologie keine Probleme damit, neue Gebote anzunehmen und sie umzusetzen, da die Heiligen der Letzten Tage an fortdauernde Offenbarung glauben.

Detaillierte Informationen: Mehrfachehe ist nicht biblisch? und Frühe Christen über die Mehrfachehe

Die Wahrheit verstecken

Es stimmt, Joseph Smith hat nicht immer anderen von der Vielehe erzählt. Er hat jedoch einige Versuche unternommen, die Heiligen diesen Grundsatz zu lehren.

Ein zeitgenössischer Tagebucheintrag beschreibt die Reaktion:

Als der Prophet "zu seinem Abendessen ging,", schrieb Robert Lee Robinson, "versammelten sich einige der ersten Frauen der Kirche, wie erwartet werden konnte, im Haus des Propheten zusammen mit seiner Frau und sagten so zum Propheten: 'O, Herr Smith, sie haben es getan und das wird nie gehen. Es ist alles Gotteslästerung und Sie müssen zurücknehmen, was sie heute gesagt haben. Es ist empörend und würde uns als Volk ruinieren.'" Daher stellte sich Joseph Smith in der Nachmittagsversammlung wieder ans Pult, so schreibt Robinson, und sagte: "Brüder und Schwestern, ich nehme zurück, was ich heute Morgen gesagt habe und es sei so, als sei gar nichts gesagt worden."[2]

Joseph versuchte die Lehre zu verkünden, doch wurde sie von vielen Heiligen, einschließlich seiner eigenen Frau Emma verworfen. Joseph fing dann an, die Lehre denjenigen, die gehorchen würden, unter vier Augen nahezubringen.

Die Lehre geheimzuhalten war auch deshalb notwendig, da die Feinde der Kirche sie als eine weitere Rechtfertigung für ihre Angriffe genutzt hätten. Orson Hyde erinnert sich an die Tage in Nauvoo und zeigt, was die Folgen einer öffentlichen Darlegung der Vielehe gewesen wären:

In früheren Jahren hätten sie die selben Umstände erleiden müssen, wie sie einige der Heiligen der Letzten Tage in Illinois erdulden mussten. Was wäre mit uns geschehen, wenn sie gewusst hätten, dass viele von uns mehr als eine Frau hatten, als wir in Illinois lebten? Sie hätten uns ruiniert, zweifellos schlimmer, als sie es dann getan haben.[3]

Es ist also wichtig zu verstehen, dass öffentliches Predigen von Polygamie oder sie der gesamten Kirchenmitgliedschaft zu verkünden und sie damit stellvertretend der Öffentlichkeit mitzuteilen, einfach kein durchführbarer Plan war. Jene, die die Entscheidung von Joseph Smith kritisieren, ignorieren die Gefahr, die ihm und den Heiligen drohte.

Gesetzwidrig?

Ganz sicher wurde während des Antipolygamiekreuzzuges in der Utahzeit, Polygamie als ungesetzlich erklärt und war wohl auch unter dem Antibigamiegesetz in Illinois ungesetzlich. Das ist kaum eine neue Information und sowohl die Kirchenmitglieder, als auch ihre Kritiker wussten das. Heutigen Mitgliedern der Kirche ist häufig die Bedeutung dieser Tatsache nicht klar, dennoch: Polygamie auszuüben war ein klarer Fall von zivilem Ungehorsam.

Die Entscheidung, den [Antipolygamiegesetzen] zu trotzen, war eine schmerzliche Ausnahme in einer sonst festen Verpflichtung gegenüber der Regel von Recht und Gesetz. Doch ist es typisch, dass die Heiligen mit ihrer Entscheidung, dem Gesetz zu trotzen, einer amerikanischen Tradition des zivilen Ungehorsams folgten. Bei verschiedenen früheren Gelegenheiten, auch schon vor dem Unabhängigkeitskrieg, betrachteten Amerikaner gewisse Gesetze als verletzend für ihre fundamentalen Werte und beschlossen offen, sie zu brechen. Auch wenn es als verfassungskonform deklariert war, lief es doch allen ihren Werten zuwider. Daher waren sie willens, lieber Schikanen, Exil oder Gefängnis zu ertragen, als sich seinen Forderungen zu beugen.[4]

Ein Grundsatz der Kirche ist es, das Gesetz zu ehren und zu befolgen. Sie glaubt aber nicht daran, dass die Mitglieder ihre religiösen Glaubensinhalte oder ihr Gewissen dem Staat unterwerfen müssen. Elder James E. Talmage lehrte, dass Mitglieder dem Gesetz gehorchen sollen, außer Gott gebietet eine Ausnahme:

Oftmals ist der Kirche und einzelnen Mitgliedern die folgende Frage gestellt worden: Im Falle eines Konfliktes zwischen den Forderungen des offenbarten Wortes Gottes und denen, die das weltliche Gesetz stellt, an die Anweisungen welcher Autorität wären die Mitglieder der Kirche gebunden? Vorausgesetzt religiöse Freiheit hat den Vorrang, ist es die Pflicht der Heiligen, sich den Gesetzen ihres Landes zu unterwerfen.[5]

Es ist nicht überraschend, dass sich diese Frage darauf reduziert, ob Joseph Smith ein Prophet war und ob Gott ihm seine Handlungen gebot.

Fleischliches Begehren?

Neutrale Beobachter haben schon vor langer Zeit erkannt, dass dies das schwächste Argument von allen ist. George Bernard Shaw, gewiss kein Mormone, erklärte:

Nichts ist müßiger und unseriöser, als anzunehmen, diese Polygamie habe irgend etwas mit persönlicher Zügellosigkeit zu tun. Wenn Joseph Smith den Heiligen der Letzten Tage vorgeschlagen hätte, sie sollten zügellos leben, wären sie über ihn gekommen und hätten wahrscheinlich die Tat ihrer frommen Nachbarn, die ihn dann erschossen haben, vorweg genommen.[6]

Als Joseph Smith ihn belehrte, er solle eine Mehrfachehe ausüben, erinnerte sich Brigham Young: "Es war das erstemal in meinem Leben, dass ich das Grab vorgezogen hätte."[7]

John Taylor fühlte ähnlich:

Ich hatte immer sehr strenge Ansichten bezüglich Tugend und ich hatte das Gefühl, für mich als verheirateten Mann sei das etwas Entsetzliches, das ich tun sollte. Einzig das Wissen über Gott und der Offenbarungen Gottes konnten mich dazu bewegen, solch einen Grundsatz zu akzeptieren. Wir [Die Zwölf] schienen das, was man den bösen Tag nennen könnte, so weit als möglich aufzuschieben.[8]

Man kann Bände der frühen Kirchenführer lesen, öffentliche Schriften, spontane Predigten und private Tagebücher. Man kann nachdenken über die hundertausende Meilen, die sie auf Missionsreisen und im Dienste der Kirche zurücklegten. Wenn die Schriften von Joseph Smith, Brigham Young, John Taylor, Wilford Woodruff, Heber C. Kimball, George Q. Cannon und vielen anderen jemanden nicht davon überzeugen kann, dass sie ehrenwerte, wenn auch vielleicht fehlgeleitete, Männer waren, dann sollte man ernsthaft die Frage stellen, ob so jemand überhaupt im Stande ist, mit Nächstenliebe auf irgend einen Mormonen zu blicken.

Wie der evangelische Theologe Ernst Benz schrieb:

Mormonische Polygamie hat nichts mit sexueller Ausschweifung zu tun, sondern ist an ein streng patriarchalisches System der Familienordnung gebunden. Sie weist in der Beziehung des Ehemannes zu jeder einzelnen Ehefrau alle ethischen Züge einer christlichen, monogamen Ehe auf. Es legt den Schwerpunkt darauf, Kinder zu bekommen und sie im Schoße der Familie und der mormonischen Gemeinschaft aufzuziehen. Ja, sie weist ein hohes Maß an Selbstlosigkeit, Opferbereitschaft und Pflichtgefühl auf.[9]

Schlussfolgerung

Die Vielehe war wohl die größte Herausforderung für die frühen Kirchenmitglieder. Kritiker sind ängstlich darum bemüht, die Entscheidungen der frühen Mitglieder nicht in ihren Zusammenhang zu stellen. Indem sie das tun, wollen sie die frühen Mitglieder als lasterhaft oder als Tölpel erscheinen lassen. Damit hoffen sie, dass jene, die ihre Version der Geschehnisse hören, nicht einmal mehr in Betracht ziehen, dass diese Männer wahre Propheten Gottes gewesen sein könnten.

Fußnoten

  1. [back] Orson Pratt and John Philip Newman, “Does the Bible Sanction Polygamy?” Deseret News, 12–14 August 1874.
  2. [back] Richard S. Van Wagoner, Mormon Polygamy: A History (Salt Lake City: Signature Books, 1986),48; citing Robinson, Journal, 23–24.
  3. [back] Orson Hyde, "The Marriage Relations," Journal of Discourses, reported by G.D. Watt (6 October 1854), Vol. 2 (London: Latter-day Saint's Book Depot, 1855), 75. Link
  4. [back]  James B. Allen and Glen M. Leonard, Story of the Latter-day Saints, 2nd edition revised and enlarged, (Salt Lake City: Deseret Book Company, 1992[1976]), 401. ISBN 087579565X. GospeLink
  5. [back]  James E. Talmage, The Articles of Faith (Salt Lake City, Utah: Deseret Book Company, 1981[1899]), 382–383. ISBN 0877478384.
  6. [back]  Bernard Shaw, The Future of Political Science in America; an Address by Mr. Bernard Shaw to the Academy of Political Science, at the Metropolitan Opera House, New York, on the 11th. April, 1933 (New York: Dodd, Mead and Company, 1933) as cited in Richard Vetterli, Mormonism Americanism and Politics (Salt Lake City: Ensign Publishing, 1961), 461–462.
  7. [back]  Brigham Young, "Plurality of Wives—The Free Agency of Man," Journal of Discourses, reported by G.D. Watt (14 July 1855), Vol. 3 (London: Latter-day Saint's Book Depot, 1856), 266.
  8. [back]  Van Wagoner, Mormon Polygamy, 89.
  9. [back]  Ernst Benz, "Imago dei: Man as the Image of God," FARMS Review 17/1 (2005): 223–254. Link

Zusätzliches Material

FAIRwiki Artikel

Mehrfachehe

FAIR Website

Externe Links

Gedrucktes Material

  • Diagnose Glaubensschwäche von Michael R. Ash ISBN 978-3-8370-6436-0